Als eine spezielle Art des Boxermotors könnte man den Gegenkolbenmotor bezeichnen. Auch bei diesem Motor befinden sich die Kolben flach gegenüber in einer Linie. Wodurch ein hervorragender Massenausgleich gewährleitstet ist und somit einen ruhigen und vibrationsarmen Lauf. Allerdings unterscheidet sich der Aufbau wesentlich von einem konventionellen Hubkolbenmotor.
Der Motor verfügt über zwei außen liegende Kurbelwellen (1). Pro Zylinder sind zwei Pleuel (2) und zwei Kolben (3) vorhanden. Die Zylinderlaufbuchse verfügt auf der linken Seite über Einlassschlitze (4) und auf der rechten Seite über Auslassschlitze (7). Der Kraftstoff wird mit Hilfe des Injektors (6) in den Zylinder gespritzt und mit der Kerze (5) gezündet.
Bild: Konstruktiver Aufbau eines Zweitakt-Gegenkolben-Motors, Quelle: Golle Motor AG
Bei dieser Bauart kann also auf einen Zylinderkopf, die dazugehörige Kühleinrichtung und Nockenwelle samt Ventile verzichtet werden. Ein Vorteil dieser Konstruktionsart ist somit auch die bessere Ein- und Auslasssteuerung bei Zweitaktern, da ein Kolben den Einlass und der andere den Auslass regelt. Damit ergibt sich die Möglichkeit Kompressoren für die Beatmung von Zweitaktmotoren einzusetzen und so einen "aufgeladenen" Zweitakter zu realisieren.
Als Nachteil ist die komplizierte Konstruktion mit zwei Kurbelwellen anzusehen.
Arbeitsweise eines Diesel-Zweitakt-Gegenkolbenmotors:
Zum Verdichten laufen je zwei Kolben auf einander zu, bis die dieseltypische Kompressionshitze erreicht ist. Dann spritzt die Dieselpumpe Kraftstoff in den verbleibenden Spalt, und der Arbeitstakt beginnt. Auf der einen Seite des Zylinders liegen die Einlass-, auf der anderen die Auslasskanäle. Sobald die Kolben die Kanäle freigegeben haben, bläst ein Kompressor oder Lader unter Hochdruck das Abgas in den Auspuff.
Der als Zweitakt-Motor betriebene Gegenkolbenmotor hat viele Vorteile gegenüber eines Viertaktmotors. Ein Zweitaktmotor kann bei gleichem Hubraum, abhängig von der Güte der Zylinderspülung, das doppelte Drehmoment eines Viertaktmotors erreichen. Bei vergleichbarer Drehzahl ergibt sich somit die doppelte Leistung. Anders formuliert hat ein solcher Motor ein entsprechend niedrigeres Leistungsgewicht. Bei gleicher Zylinderzahl liegt die doppelte Zündfrequenz vor. Es ergibt sich dadurch eine verbesserte Laufruhe.
Diese Vorteile konnten jedoch bisher nicht die Nachteile gegenüber dem Viertaktmotor aufwiegen. Dies waren die Schadstoffemissionen und der Verschleiß. Die Schadstoffemissionen entstehen durch die Spülverluste bzw. die unvollkommene Zylinderausspülung der Umkehrspülung. Die Emissionen können bei der Umkehrspülung nur ausreichend gesenkt werden, wenn der Motor gedrosselt wird. Dann fällt das Drehmoment und die Leistung allerdings auf das Niveau des Viertaktmotors ab. Dies stellt keine Lösung dar!
Das zweite Problem ist der Verschleiß, insbesondere am Kolben und bei Wälzlagerung auch am Kurbeltrieb. Wird das Mischungsverhältnis erhöht, weniger Öl zugegeben, treten Schmierprobleme am wäzgelagerten Kurbeltrieb und am Kolben auf. Wird mehr Schmieröl zugegeben, kann dem Verschleiß entgegengewirkt werden. Allerdings steigt der Ölverbrauch und die Blaurauchemission damit unakzeptabel an. Bei bisherigen Zweitaktmotoren konnte dieser Zielkonflikt nicht gelöst werden.
Prototyp Zweitakt-Gegenkolbenmotor mit
zwei Zylindern und 1,0 l Hubraum (Quelle: Golle Motor AG)
Die Lösung des Problems ist der Zweitakt-Gegenkolbenmotor der Golle Motor AG. Dieser verfügt über eine Gleichstromspülung ohne Spülstromumkehr. Damit wird eine hochwertige Zylinderausspülung erreicht. Beim gleichen Schadstoffniveau des Viertaktmotors kann somit der Leistungsvorteil des Zweitaktmotors voll ausgeschöpft werden. Möglich wird dies erst mit dem unsymmetrisches Steuerdiagramm. Das bedeutet, dass der Einlassschlitz beim Ladungswechsel erst nach dem Auslassschlitz schließt. Somit werden die Spülverluste gegenüber dem symmetrischen Steuerdiagramm der Umkehrspülung verringert. Dort schließt der Auslassschlitz erst nach dem Einlassschlitz. Es wird dort also vom Kolben Ladung ungenutzt in die Auspuffanlage gedrückt.
Dem Verschleißproblem wird mittels eines gleitgelagerten Kurbeltriebes und trocken laufenden Kolben begegnet. Die Kurbelwellen und die Pleuel verfügen über eine Druckumlaufschmierung. Dies reduziert die Kosten und den Montageaufwand. Die Standfestigkeit erreicht damit das hohe Niveau des Viertakt-Kurbeltriebes.
Durch speziell entwickelte Werkstoffe ist der Trockenlauf der Kolben realisiert. Diese benötigen kein Öl zur Schmierung. Dadurch wird der sonst übliche Blaurauch des Zweitaktmotors vermieden.
Zusammenfassung der Vorteile
• Hohes Drehmoment und hohe Leistung
• Niedriges Leistungsgewicht
• Geringer Kraftstoffverbrauch
• Standfester Motor
• Hochwertige Zylinderspülung durch Gleichstromspülung ohne Spülstromumkehr
• Hohe Laufruhe
• Unsymmetrisches Steuerdiagramm, d.h. Möglichkeit zur Aufladung
• Nahezu vollständiger Massen- und Gaskraftausgleich ohne Ausgleichswelle durch die gegenläufigen Kurbeltriebwerke und somit kein Ventiltrieb und kein zusätzlicher mechanischer Lader notwendig. Dieser ist teuer, erhöht den Kraftstoffverbrauch und drosselt den Ladungswechsel.
Gegenkolbenmotoren wurden unteranderem von Junkers in Flugzeugen und DKW in einem mit Kompressor aufgeladenen Rennmotorad eingesetzt. Weitere Hersteller waren Rolls-Royce, Krupp, Napier, Leyland, Sulzer, Commer, Doxford, Fairbanks-Morse und Gobron-Brillié.
Die englische Firma "Diesel Air Limited" hat einen mit Diesel betriebenen Zweitakt-Gegenkolbenmotor für den Einsatz in Flugzeugen und Luftschiffen entwickelt.
Zylinderanzahl |
2 |
Kolbenanzahl |
4 |
Bohrung |
80 mm |
Hub |
90 mm |
Hubraum |
1810 cm³ |
Verdichtung |
18 : 1 |
Leistung |
100 PS |
Treibstoff |
Diesel |
Motorgewicht (trocken) |
92,7 kg |
Einspritzsystem |
direkt |
Vielen Dank an die
Golle Motor AG, die einige Bilder und Teile des Textes zur Verfügung stellte.